StressRegNet

Ein chemisch-genomischer Ansatz zur Untersuchung von bakteriellen Stressreaktionen und Virulenzsignalwegen bei Infektionen
Identifizierung von Stressor-Regulator-Paaren in der bakteriellen Stressantwort, Pathogenität und Antibiotika-Sensitivität mittels Hochdurchsatztechnologien und maschinellem Lernen

Krankheitserreger sind zahlreichen unterschiedlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt, die vom Wirt, dem Mikrobiom, oder aber auch von Lebensmitteln, Antibiotika und anderen Medikamenten ausgehen. Um sich an diese sich ständig verändernden Umgebungen anzupassen, haben Pathogene unterschiedliche Strategien entwickelt, die meist auf transkriptioneller oder post-transkriptioneller Kontrolle der Genexpression beruhen. Neben Proteinfaktoren, die als globale Stressregulatoren auf der Transkriptionsebene wirken, spielen sogenannte kleine regulatorische RNA Moleküle (sRNA, vom engl. small RNA) eine wichtige Rolle bei der posttranskriptionellen Kontrolle der bakteriellen Stressantwort und Virulenz. Viele sRNAs regulieren beispielsweise direkt Virulenzgene oder kontrollieren den Stoffwechsel während der Wirtskolonisation. Zudem gibt es immer mehr Beispiele, wo auch die Antibiotikaresistenz und -toleranz durch sRNAs beeinflusst wird. Die externen Signale, die solche molekularen Signalwege und Regulatoren auslösen, sowie die Auswirkungen dieser regulatorischen Kaskaden auf die bakterielle Virulenz und Anfälligkeit gegenüber Antibiotika, sind jedoch noch weitgehend unbekannt.

Mittels Hochdurchsatztechnologien wollen wir in unserem StressRegNet-Konsortium untersuchen, welche chemischen Signale (Stressoren) bei den beiden verbreiteten Humanpathogenen Salmonella und Campylobacter Signalwege auslösen, die für die Kontrolle der bakteriellen Anpassung an den Wirt und an Antibiotika verantwortlich sind. Die Identifizierung solcher Stressoren wird helfen, die komplexen Netzwerke, in denen sensorische und adaptive Mechanismen von Bakterien ineinandergreifen, zu entschlüsseln. Dies wiederum kann bislang noch unbekannte bakterielle „Achillesfersen“, wie z.B. Signalwege der Virulenz oder Antibiotika-Sensitivität, als Angriffspunkte für neue therapeutische Interventionen aufdecken.

Strategie und Voraussetzungen

In unserem StressRegNet Projekt werden wir bakterielle Genetik, Hochdurchsatz-Screening und Ansätze des maschinellen Lernens kombinieren, um ein umfassendes Bild von chemischen Stimuli zu erhalten, die bakterielle Stressantworten auslösen, welche durch sRNAs und/oder globale Regulatoren vermittelt werden. Zu diesem Zweck werden wir eine Kollektion von Salmonella und Campylobacter Stämmen mit Reportergenfusionen generieren, welche die Transkriptionsregulation von ausgewählten, stressassoziierten sRNAs und Regulatoren messen können und Änderungen der Reportergenaktivität nach Kontakt mit mehr als 3.000 wirtsbezogenen kleinen Molekülen systematisch untersuchen. Anschließend werden wir mittels Methoden des maschinellen Lernens die Auswirkungen dieser Signalwege auf die bakterielle Sensitivität gegenüber antimikrobiellen Mitteln entschlüsseln. Der interdisziplinäre Ansatz unseres StressRegNet-Konsortiums ermöglicht diesen einzigartigen Ansatz der Chemischen Genomik, da jeder der drei Projektpartner entscheidende komplementäre Fachkenntnisse und Technologien beisteuert. Die starken Interaktionen zwischen Wissenschaftlern und Mathematikern werden die infektionsbiologische Forschung durch Digitalisierung vorantreiben.

Ziele des Forschungsvorhabens

Ziel unseres Projekts ist es, Stressoren und bakterielle Regulationswege zu identifizieren, welche die Anpassung des Wirts und die Anfälligkeit gegenüber Antibiotika kontrollieren. Mit Hilfe eines Hochdurchsatz-Verfahrens der chemischen Genomik werden wir chemische Stimuli aus der Wirtsumgebung identifizieren, die Signalwege der Stressantwort in Salmonella und Campylobacter anschalten, und das dabei zugrundeliegende molekulare Zusammenspiel zwischen den sensorischen Signalwegen dieser Mikroben aufklären. Unser Ziel ist es, prädiktive Erkenntnisse über die bakterielle Reaktion auf Antibiotika und über Virulenz-bestimmende Faktoren zu gewinnen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung neuer antimikrobieller Strategien zu leisten. Beispielsweise werden wir versuchen, Stressoren zu identifizieren, welche die Expression von bakteriellen Effluxpumpen beeinflussen. Effluxpumpen werden durch unterschiedliche Stresswege aktiviert und die Aktivierung/Reprimierung ihrer Expression hat unmittelbare Auswirkungen auf die Virulenz und Antibiotika-Sensitivität. Eine gezielte Beeinflussung ihrer Regulation durch bestimmte Signalmoleküle könnte daher die Wirksamkeit von Antibiotika-Behandlungen verbessern.

Nutzen für die Gesellschaft

Obwohl Antibiotika ein äußert hilfreiches Mittel zur Behandlung von Infektionskrankheiten sind, ist ihre Wirksamkeit durch ansteigende Antibiotikaresistenzen zunehmend bedroht. Eine wachsende Anzahl bakterieller Krankheitserreger hat bereits Resistenzen erworben oder entwickelt, manchmal sogar mehrere Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika. Außerdem gibt bereits Stämme mit Resistenzen gegen Antibiotika, die normalerweise als sog. Reserveantibiotika eingesetzt werden. Dies erschwert ihre Behandlung dramatisch und macht sie manchmal sogar unmöglich. Auch die Darmpathogene Salmonella und Campylobacter entwickeln zunehmend Antibiotika-Resistenzen und wurden vor kurzem von der WHO mit hoher Priorität für die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika eingestuft.
Mittels eines einzigartigen Screens basierend auf Chemischer Genomik werden wir einen umfassenden Datensatz der molekularen Anpassung dieser Pathogene an vom Wirt stammende und antibiotisch-chemische Reize erstellen. Die systematische Untersuchung, wie sich Umweltreize auf die antibiotische Aktivität und die Virulenz auswirken, wird ein bedeutender Schritt zur Erforschung des Potenzials von wirtsbezogenen Metaboliten als antibiotische Adjuvantien zur Bekämpfung von Infektionen sein. Die in diesem Projekt eingesetzten und entwickelten einzigartige Kombination können zudem auch auf andere Krankheitserreger ausgeweitet werden und bieten einen strategischen Ansatz, um der zunehmenden Bedrohung der globalen Gesundheit durch Antibiotikaresistenzen zu begegnen.

Das Team

Kooperationen

CoreUnit Systems Medicine (CU SysMed), Würzburg.

Helmholtz Institute for RNA-based Infection Research (HIRI), Würzburg.

Vertis Biotechnology AG, Freising.

Prof. Dr. Cynthia M. Sharma
Projektleitung

Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Institut für Molekulare Infektionsbiologie

Dr. Ana Rita Brochado
Projektleitung

Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Biozentrum / Zentrum für Infektionsforschung

Prof. Dr. Christian L. Müller
Projektleitung

Ludwig-Maximilians-Universität München
Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik

Beteiligte Forschungseinrichtungen

Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Medizinische Fakultät
Institut für Molekulare Infektionsbiologie

Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Biozentrum / Zentrum für Infektionsforschung

Ludwig-Maximilians-Universität München
Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik

Publikationen
  • Small RNA mediated gradual control of lipopolysaccharide biosynthesis affects antibiotic resistance in Helicobacter pylori
    Pernitzsch SR, Alzheimer M, Bremer BU, Robbe-Saule M, de Reuse H, Sharma CM
    Nature Communications 2021; 12(1): 4433
  • A Repeat-Associated Small RNA Controls the Major Virulence Factors of Helicobacter pylori.
    Eisenbart SK, Alzheimer M, Pernitzsch SR, Dietrich S, Stahl S, Sharma CM
    Molecular Cell 2020; 80(2): 210-226.e7
  • Proton Motive Force Disruptors Block Bacterial Competence and Horizontal Gene Transfer.
    Domenech A, Brochado AR, Sender V, Hentrich K, Henriques-Normark B, Typas A and Veening JW
    Cell Host Microbe 2020; 27(4): 544-555.e3
  • A three-dimensional intestinal tissue model reveals factors and small regulatory RNAs important for colonization with Campylobacter jejuni.
    Alzheimer M, Svensson SL, König F, Schweinlin M, Metzger M, Walles H, Sharma CM
    PLoS Pathogens 2020; 16(2): e1008304
  • Microbial networks in SPRING – Semi-parametric rank-based correlation and partial correlation estimation for quantitative microbiome data
    Yoon G, Gaynanova I, Müller CL
    Frontiers in Genetics 2019; 10: 516