Helicopredict

Genombasierte Resistenzvorhersage bei Helicobacter pylori
Vom Genotyp zum Phänotyp: Entwicklung einer Plattform für die Genom-basierte Vorhersage von Resistenz und Virulenz bei Helicobacter pylori

Die Infektion mit Helicobacter-pylori (H. pylori) ist die weltweit am häufigsten vorkommende bakterielle Infektion. Die chronische Infektion führt zu einer chronisch aktiven Gastritis und bei einer Untergruppe von Patienten zu weiteren Komplikationen wie Geschwüren oder Magenkarzinomen. Tatsächlich sind ungefähr 90% aller Magenkrebserkrankungen mit H. pylori assoziiert. Das Versagen von Standard-Eradikationstherapien nimmt aufgrund der zunehmenden Entwicklung resistenter Bakterienstämme drastisch zu. Da für eine erfolgreiche Eradikation zwei Antibiotika benötigt werden, führt die Anwendung von nur einem Antibiotikum für andere Indikationen wie Atemwegserkrankungen dazu, dass der (meist noch) unentdeckte H. pylori-Stamm bei diesen Patienten resistent wird. Man schätzt, dass heute bereits 10-20% der H. pylori-Stämme multiresistent sind. Kulturbasierte Resistenztests, die derzeit nur nach erfolgloser Zweittherapie empfohlen werden, sind jedoch ein langwieriger Prozess. Das In-vitro-Wachstum von H. pylori dauert 5 bis 7 Tage nach der Isolierung aus Magengewebe, und weitere Resistenztests nehmen zwischen 3 und 5 Tagen in Anspruch. In Anbetracht dessen wäre eine schnelle Methode zur Bestimmung, ob ein isolierter Stamm anfällig für Antibiotikaresistenzen ist, eine enorme Hilfe bei der Auswahl der geeigneten Therapie.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, plant die Forschungsgruppe die Entwicklung eines Algorithmus für die Vorhersage von Antibiotikaresistenzen, primär basierend auf H. pylori-Sequenzdaten, die schnell erhoben werden können. Der Algorithmus wird Ärzten zur Verfügung gestellt werden, um sie bei der Auswahl der optimalen Therapie zu unterstützen. Unser Ansatz wird damit einen Beitrag dazu leisten, die therapeutische Wirksamkeit zu optimieren und der weiteren Resistenzentwicklung entgegenzuwirken.

Strategie und Voraussetzungen

Obwohl einige Mutationen in Genen, die mit Antibiotikaresistenz zusammenhängen, eindeutig mit der phänotypischen Resistenz korrelieren, ist die Bedeutung vieler anderer Mutationen unklar, da die phänotypische Resistenz häufig nicht mit einer einzelnen spezifischen Mutation assoziiert werden kann. Ein Nachteil der meisten Studien in diesem Zusammenhang ist die geringe Stichprobengröße, weshalb wir in unserem Projekt Daten von bis zu 2000 Patienten mit ihren jeweiligen H. pylori-Stämmen berücksichtigen werden. Ein derart umfassender Ansatz wird es uns ermöglichen, neben genetischen und phänotypischen Daten auch andere Faktoren, die zur Resistenz in vivo beitragen können, in unsere Analyse miteinzubeziehen. Beispielsweise könnte eine frühere Antibiotikabehandlung bei einer anderen Erkrankung eine spätere Eradikationstherapie für eine H. pylori-Infektion beeinträchtigen. Darüber hinaus können die Entzündungsreaktion und der Grad der Magenpathologie letztendlich den Therapieerfolg beeinflussen. Eine weitere wichtige Quelle für die Entwicklung von Resistenzen ist die gemeinsame Besiedlung von Bakterien im Magen-Darm-Trakt, da Antibiotikaresistenzen durch direkten Plasmidtransfer oder über gemeinsame Bakteriophagen zwischen verschiedenen Bakterienarten übertragen werden können. Somit kann das Magen- und Darmmikrobiom auch eine wichtige Rolle beim Erwerb von Antibiotikaresistenzen spielen. In Helicopredict werden wir daher eine Datenbank erstellen, die neben genotypischen und phänotypischen Bakteriendaten, auch mit Entzündung verbundene Parameter sowie die Mikrobiom-Signatur enthalten wird. Basierend auf diesen Daten werden wir einen Algorithmus zur Resistenzvorhersage entwickeln, der in eine Online-Plattform integriert werden wird. Wir werden das Online-Vorhersage-Tool dann unter Verwendung ausgewählter Stämme zur Validierung testen und anschließend für den öffentlichen Zugriff öffnen.

Ziele des Forschungsvorhabens

Ziel des Forschungskonsortiums ist die Entwicklung einer Datenbank für genotypische Resistenztests zur Vorhersage des Antibiotika-Ansprechens von H. pylori. Basierend auf Daten von mehr als 2000 Patienten werden wir eine Datenbank aufbauen, die genotypische und phänotypische Daten der Bakterien, Entzündungsparameter des Wirts, sowie Mikrobiom-Signaturen enthalten wird. Wir werden datenbankbasierte genetische Resistenztests im Sinne eines „Genotyp-zu-Phänotyp-Konzepts“ verfügbar machen. Zu diesem Zweck werden wir einen Algorithmus zur Vorhersage der Antibiotikaresistenz entwickeln, der Ärzten öffentlich zugänglich gemacht wird, um diese bei der Auswahl der optimalen Therapie zu unterstützen. Der Algorithmus basiert auf der Sequenzierung des gesamten Genoms von H. pylori, enthält jedoch auch andere Parameter, die möglicherweise die Resistenz im Magen beeinflussen, wie lokale Entzündungen und das Darmmikrobiom, und verwendet maschinelles Lernen, um die Genauigkeit kontinuierlich zu verbessern.

Nutzen für die Gesellschaft

Die Helicobacter-pylori-Infektion ist eine der weltweit am häufigsten vorkommenden bakteriellen Infektionen, kann in einer chronisch aktiven Gastritis münden und zur Entwicklung anderer Komplikationen wie Geschwüren oder Magenkarzinomen führen. Tatsächlich sind ungefähr 90% aller Magenkrebserkrankungen mit H. pylori assoziiert. Die Eradikation basiert auf einer 10-14-tägigen Therapie mit zwei Antibiotika zusammen mit Säureblockern. Das Versagen solcher Therapien nimmt jedoch aufgrund der zunehmenden Entwicklung resistenter Bakterienstämme drastisch zu. Andererseits ist ein herkömmlicher Resistenztest auf Kulturbasis ein langwieriger Prozess, da das In-Vitro-Wachstum von H. pylori nach der Isolierung 5 bis 7 Tage dauert und Resistenztests weitere 3 bis 5 Tagen in Anspruch nehmen. Solche Tests werden daher erst nach erfolgloser Zweitlinientherapie empfohlen. Helicopredict wird eine viel schnellere Methode entwickeln, um festzustellen, ob ein isolierter Stamm anfällig für Antibiotikaresistenzen ist, und dadurch dazu beitragen, die therapeutische Wirksamkeit bereits während der Erstbehandlung zu optimieren und damit der Entwicklung weiterer Resistenzen vorbeugen.

Das Team

Prof. Dr. Sebastian Suerbaum:
An der Ludwig-Maximilian-Universität wird die metagenomische Sequenzierung durchgeführt und das Genom aller aus der Studienpopulation isolierten H. pylori-Stämme rekonstruiert und auf Mutationen in resistenzbezogenen Genen analysiert. Mutationen werden kartiert, mit veröffentlichten Datenbanken und der Literatur verglichen und mit phänotypischen Resistenzprofilen korreliert.

Prof. Dr. Markus Gerhard:
Die Gruppe von Prof. Gerhard wird eine Mikrobiomsequenzierung von Magen- und Stuhlproben durchführen. Nach der biostatistischen Analyse und Beschreibung der einzelnen Mikrobiom Zusammensetzungen werden die Daten auch in die Datenbank zur Korrelation mit anderen Parametern aufgenommen.

PD Dr. Christian Schulz:
Am Klinikum der Universität München werden Endoskopien durchgeführt. Magenbiopsien werden für die H. pylori-Kultur, Histologie und Magenmikrobiom-Analyse entnommen; Stuhlproben werden für die Analyse des Mikrobioms gesammelt. Alle patientenbezogenen Daten werden gesammelt und in die Studiendatenbank eingegeben.

Dr. Atefeh Kazeroonian:
An der TUM werden Algorithmen zur Resistenzvorhersage entwickeln, die auf Mutationen im sequenzierten H. pylori-Genom und anderen Parametern basieren, die möglicherweise die Resistenz beeinflussen (z. B. Rauchen, Co-Medikation, Virulenzfaktoren und Mikrobiomsignaturen). Die Modelle werden auf ihre Vorhersagekraft hin optimiert werden.

Kooperationen

DZIF-finanzierte Studie „Helicobacter pylori-Prävalenz und Antibiotikaresistenz“ (HelicoPTER): In dieser Studie werden 20.000 gesunde Freiwillige serologisch auf H. pylori-Infektion untersucht. Positiven Freiwilligen wird die Möglichkeit gegeben, eine Gastroskopie mit Biopsie zu erhalten. 2.000 H. pylori-positive Freiwillige werden am Klinikum der Universität München einer Endoskopie unterzogen. Die Proben dieser 2.000 Freiwilligen bilden die Grundlage für das Helicopredict-Projekt. Die an dieser DZIF-Studie beteiligten Partner haben bereits in mehreren anderen DZIF-Studien erfolgreich zusammengearbeitet.

Prof. Dr. Sebastian Suerbaum
Projektleitung

Ludwig-Maximilians-Universität München
Max von Pettenkofer Institut

Prof. Dr. Markus Gerhard
Projektleitung

Technische Universität München
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Immunologie und Hygiene

PD Dr. Christian Schulz
Projektleitung

Klinikum der Universität München Großhadern
Medizinische Klinik und Poliklinik II

Dr. Atefeh Kazeroonian
Projektleitung

Technische Universität München
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Immunologie und Hygiene

Publikationen
  • Helicobacter pylori infection
    Peter Malfertheiner, M. Constanza Camargo, Emad El-Omar, Jyh-Ming Liou, Richard Peek, Christian Schulz, Stella I. Smith & Sebastian Suerbaum
    Nature Reviews Disease Primers 2023; 9, Springer Nature
  • Intraprocedural gastric juice analysis as compared to rapid urease test for real-time detection of Helicobacter pylori
    Riccardo Vasapolli, Florent Ailloud, Sebastian Suerbaum, Jens Neumann, Nadine Koch, Lukas Macke, Jörg Schirra, Julia Mayerle, Peter Malfertheiner, Christian Schulz
    World Journal of Gastroenterology 2023; 29(10): 1494-1503, WJG
  • Identification of Antimotilins, Novel Inhibitors of Helicobacter pylori Flagellar Motility That Inhibit Stomach Colonization in a Mouse Model
    Suerbaum S, Coombs N, Patel L, Pscheniza D, Rox K, Falk C, Gruber AD, Kershaw O, Chhatwal P, Brönstrup M, Bilitewski U, Josenhans C
    mbio 2022; 13(2): e0375521
  • Evolved to vary: genome and epigenome variation in the human pathogen Helicobacter pylori
    Ailloud F, Estibariz I und Suerbaum S
    FEMS Microbiol Rev 2021; 45(1): fuaa042
  • Within-host evolution of Helicobacter pylori shaped by niche-specific adaptation, intragastric migrations and selective sweeps
    Ailloud F, Didelot X, Woltemate S, Pfaffinger G, Overmann, J, Bader RC, Schulz C, Malfertheiner P, Suerbaum S
    Nat Commun 2019; 10(1): 2273
Beteiligte Forschungseinrichtungen

Ludwig-Maximilians-Universität München
Max von Pettenkofer Institut

Technische Universität München
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Immunologie und Hygiene

Klinikum der Universität München Großhadern
Medizinische Klinik und Poliklinik II